Die türkischen Schulen im Ausland

Wie beurteilen Sie die türkischen Schulen, die durch Ihre Ermunterung im Ausland eröffnet wurden?

Stellen Sie diese Frage bitte Soziologen, Historikern oder Philosophen, nicht mir; und lassen Sie Menschen, die eine dieser Schulen besucht haben, ihre gute Meinung über sie zum Ausdruck bringen.

Hat der Staat inzwischen verstanden, wie bedeutend sie sind?

Ich sehe hier eine Chance, die nicht vertan werden darf. Entscheidend ist, denke ich, sicherzustellen, dass diese Bildungsaktivitäten auf jeden Fall fortgeführt werden. Der Staat kann sich entweder hinter diese von Freiwilligen-Organisationen geleistete Arbeit stellen und sie finanzieren oder aber sie auch voll - durch das Militär oder in der Person von Staatsbeamten - übernehmen und ihren Betrieb in Eigenregie weiterhin gewährleisten. Eine dieser Option muss er wahrnehmen. Es wäre falsch, diesen Schulen eine andere Bedeutung beizumessen und sie zu verurteilen, nur weil bestimmte Personen dort wirken. Was getan werden sollte, ist, die Dinge weiter laufen zu lassen, ihnen aber mit größerer Wertschätzung zu begegnen. Wenn man sich außer Stande sieht, das zu tun, sollten diejenigen, denen diese Schulen ein Dorn im Auge sind, bei diesem Thema besser schweigen.

Es gibt die Befürchtung, diese Schulen könnten den Weg zu einer ,Belagerung der Türkei' aus dem Ausland freimachen.

Nein, im Gegenteil. Eigentlich weiß ich aber gar nicht genau, was das heißen soll: eine Belagerung der Türkei durch das Ausland. Ich kann nur sagen, dass hier die Einbildungskraft offenbar mit den Leuten durchgeht.

Wussten die staatlichen Stellen schon von den Schulen, als diese gegründet wurden?

Natürlich. Unser verstorbener Freund Kemal Erimez war ein naher Bekannter von Süleyman Demirel. Als Kemal Erimez Herrn Demirel um ein Empfehlungsschreiben bat, erwies sich dieser als sehr entgegenkommend. Er unterzeichnete einige Blankopapiere und sagte: „Bitte, ihr könnt darauf schreiben, was ihr wollt. Noch heute besitze ich die Entwürfe mancher dieser Briefe. Als der verstorbene Präsident Turgut Özal einige Länder Mittelasiens bereiste, sagte er: „Ich, als Präsident der Türkei, stehe hinter diesen Aktivitäten." Nachdem Bülent Ecevit diese Schulen besucht hatte, sagte er: „Die Menschen dieses Landes haben Dinge vollbracht, die eigentlich unmöglich sind - schon in den Zeiten des Osmanischen Reichs." Daran erinnere mich voller Dankbarkeit. Das Militär wusste damals sehr genau, dass wir Schulen im Nordirak und in Afghanistan eröffneten, und sie waren damit einverstanden. Nach einer Weile jedoch kamen irgendwelche Leute daher, die es darauf abgesehen hatten, den Eindruck zu erwecken, Schüler erhielten in diesen Schulen keine gute Ausbildung. Entschuldigen Sie, aber mit ihren haltlosen Verdächtigungen brachten diese Leute andere Menschen dazu, sich zu fragen, ob sie vielleicht Recht haben könnten.

Die Reaktion kam ja nicht aus den Ländern, in denen sich die Schulen befinden, sondern aus bestimmten Kreisen in der Türkei. Was halten Sie davon?

Ein Soziologie- und Geschichtsprofessor unter den Gästen, die die Schulen besuchten, beschloss einmal einen Vortrag in einer Akademie folgendermaßen: „Meiner Meinung nach ist der Widerstand gegen diese Schulen gleich bedeutend mit Landesverrat." Manche äußern sich negativ über diese Schulen, obwohl sie sie nie gesehen oder besucht haben und obwohl sie nichts über sie wissen. Sie kennen auch weder die Geschichte noch die Vergangenheit der Türken. Dennoch haben ihre Einwände, mögen sie auch noch so unerheblich sein, Ressentiments hervorgerufen, von denen ich hoffe, dass sie nicht von Dauer sein werden. Die Sonne lässt sich schließlich nicht verdunkeln, indem man sie mit Schmutz bewirft.

Die Länder, in denen Schulen eröffnet wurden, standen noch lange Zeit unter dem Einfluss des Kommunismus. Sie verfügen über Geheimdienste mit KGB-Erfahrung. Diese Dienste haben die Bildungsaktivitäten sehr genau beobachtet; nichtsdestotrotz erheben sie keinerlei Einwände, während es in unserem Land Leute gibt, die ihnen entgegenwirken. Ich weiß, dass letztere diesen Diensten oftmals Botschaften zukommen ließen. Ein Mann, dem die Türkei sehr am Herzen liegt, sagte einmal zu mir: „Wir sind dabei, diesen und jenen Menschen an dem und dem Ort zu überzeugen." Nach einer Weile meinte er dann aber: „Was soll ich machen, nachdem wir uns getroffen hatten, hat ein Dienst aus der Türkei eine neue Akte auf den Tisch gelegt." Letztendlich hieß es dann aber, nachdem die Verantwortlichen Einsicht in alle Akten genommen hatten: „Wir sind nicht der Meinung, dass mit diesen Menschen - so wie Sie behaupten - irgendetwas nicht stimmen könnte." Die Bildungsaktivisten bekommen Preise verliehen, während ihre Gegner weiterhin Rufmord betreiben. Ihre Bemühungen, Schaden anzurichten, veranlassen die lokalen Behörden, Nachforschungen anzustellen. Aber selbst wenn sie ihre Bemühungen intensivieren, glaube ich nicht, dass man ihnen weiterhin Aufmerksamkeit schenken wird.

Einige sagen, man sollte lieber im Mittleren Osten als in Zentralasien Schulen eröffnen.

Zentralasien hat von der Vergangenheit her für uns einen ganz anderen Klang, es wurde schon in Balladen besungen. Gott hat uns die Möglichkeit gegeben, dorthin zu gehen. Hinzu kommt, dass die Araber in religiösen Angelegenheiten auf uns herabblicken und nicht eine Minute lang in Erwägung ziehen, wir hätten ihnen irgendetwas zu bieten.

Wurde es denn jemals versucht?

Es wurden Versuche unternommen. Syrien und Iran haben uns die Genehmigung verweigert. Die Iraner sagten: „Wir kennen uns in diesen Dingen besser aus. Gebt ihr uns die Mittel, dann werden wir handeln." Unter diesen Voraussetzungen können wir dort gar nichts erreichen. Als wären wir Taliban, fragten sie uns: „Habt ihr nichts besseres zu tun, als Schulen zu gründen? Kümmert euch zuhause um eure eigenen Angelegenheiten." In Zentralasien war das ganz anders. Dort betrachtete man und als Blutsverwandte und bereitete uns einen warmen Empfang. Unsere Aktivitäten dort dienten uns dann als Referenzen für die Russische Föderation und den Fernen Osten. Auch dort bescherte uns Gott Erfolg. Wichtig ist also nicht nur, wofür wir uns entscheiden; auch die andere Seite spielt eine Rolle.

Aber warum haben sich im Mittleren Osten keine Türen geöffnet?

Möglicherweise hat man dort deshalb so negativ reagiert, weil man sich davor fürchtete, durch die Schulen die türkischen Vorstellungen von Republik und Demokratie zu importieren. In Zentralasien oder Afrika kannte man solche Sorgen nicht. Im Gegenteil, dort gestattete man uns, unsere Schulen zu eröffnen und unsere Fahnen über die Türen zu hängen und sang mit uns zusammen unsere Nationalhymne. Im Mittleren Osten wäre so etwas wohl undenkbar gewesen. Die Wunden, die Leute wie [der britische Spion] Lawrence von Arabien, dort aufgerissen haben, sind noch lange nicht verheilt.

Diese Bewegung ist inzwischen enorm gewachsen, und alle Welt fragt sich, wie das möglich ist und woher das Wasser stammt, das die Mühle in Gang hält.

Die Dienstleistungen, um die es hier geht, sind die Bildungsaktivitäten, die an zwei Orten ihren Anfang nahmen und sich dann in der Türkei und im Ausland allmählich Schritt für Schritt weiter entwickelten. Die Lehrer wussten von Anfang an, dass sie trotz der Unterstützung durch reiche Menschen, Stiftungen und Gesellschaften unter reichlich Problemen zu leiden haben würden. Und tatsächlich hat jeder von ihnen mit den unterschiedlichsten Schwierigkeiten zu kämpfen. Der verstorbene Aydin Bolak war zu Tränen gerührt, als er mir erzählte, dass einige unserer Freunde in einem Land tätig sind, in dem die Temperaturen bisweilen auf bis zu -60° Celsius sinken. Dies ist die Realität, und trotzdem stellt man mir allen Ernstes die Frage, woher das Wasser stammt, das die Mühle in Gang hält.

Was haben Sie geantwortet?

Ich habe gesagt: „Die Kraft, die hinter diesen Bildungsaktivitäten steht, ist die gleiche Kraft, die unserem Volk damals seine Unabhängigkeit zurückgab." In jener Zeit hat das Volk alles, was es besaß, in die Waagschale geworfen, bis hin zu Töpfen und Pfannen aus der Küche und Ochsenkarren. Auch die Frauen haben sich dem Kampf angeschlossen. Die Freiwilligen von heute eifern ihnen nach in der Überzeugung, dass zivilisierte Menschen nur dann Erfolg haben, wenn sie zu überzeugen wissen.

Diese Menschen haben auf der ganzen Welt Schulen eröffnet. Sie wissen, dass wir nur über Bildung und Erziehung das Niveau der Menschen heben und unsere Konflikte lösen können. Aus diesem Wissen stammt das Wasser, das die Mühle in Gang hält.

Es ist wahr, es hat einige Versuche [seitens des türkischen Staates] gegeben, aus Rivalität heraus eigene Schulen aufzuziehen. Die Lehrer, die dort hingehen sollten, forderten jedoch zwischen 2000 und 3000 Dollar. Unsere Freunde hingegen geben sich mit Gehältern von 300-440 Dollar in Höhe eines Stipendiums zufrieden. Einige von ihnen waren sogar gezwungen, nebenbei noch andere Jobs anzunehmen. Die Repräsentanten der Stiftungen und zivilen Organisationen, die die Schulen unterstützen, haben sich auch wie ganz normale Arbeiter beim Bau der Schulen engagiert. Hinter diesen Schulen stehen keine dubiosen Quellen, sondern die Anstrengungen dieses Volkes. Das Wasser, das die Mühle in Gang hält, entstammt der Opferbereitschaft. Eine Bewegung, die dies von sich behaupten kann, ist unabhängig und auf nichts und niemanden angewiesen. Selbst die Staaten stehen zuweilen in ihrer Schuld.

Es kam vor, dass Verdächtigungen gegen die Schulen in der Türkei ausgesprochen wurden.

Wer solche Verdächtigungen ausspricht, spricht damit auch unserem Staat sein Misstrauen aus. Diese Schulen werden ungewöhnlich oft inspiziert. Einige Kontrollen der Mädchenschulen wurden in einer Art und Weise durchgeführt, die mit dem Moralkodex unserer Gesellschaft nicht zu vereinbaren ist. Ich spreche hier von nächtlichen Razzien. Man drang in die Schlafräume ein und durchwühlte die Habseligkeiten der Mädchen. Kein Wort davon stand in der Presse. Unsere Freunde aber beschwerten sich nicht bei den Ministern der Regierung. Sie sagten, dass diejenigen, die gekommen waren, um diese Razzien durchzuführen, Aufsichtsbeamte unseres eigenen Staates waren. Sollen sie ruhig 20 oder 30 Mal kommen! Aber obwohl sie auf keiner einzigen ihrer Razzien etwas zu beanstanden hatten, sind die Gerüchte nicht verstummt. Dies halte ich für schändlich, es weist darauf hin, dass man jedes Schamgefühl verloren hat.

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